ad usum proprium 
die literarische Seite von Birgit Gerlach

KOSTENLOSE WARTEZIMMERLEKTÜRE


Hier haben Sie die Möglichkeit, ein A4-Wartezimmerplakat mit einem QR-Code für die kostenlose und berührungsfreie Nutzung der Lektüre dieser Website  herunterzuladen.

"Wozu das denn?", fragt sich der besorgte Leser.

Besonders in Infektzeiten ist es nicht sonderlich erfreulich, wenn die Zeitschriften und Bücher im Wartezimmer schon durch hundert Hände gegangen sind.

Deshalb dachte ich mir, ich lade alle diejenigen, die ohnehin unentwegt auf ihrem Handy herumdaddeln, zum Kurzgeschichtenlesen ein. Dann ist das Warten nicht so nervig, und alle kommen ganz entspannt zur Konsultation.

Und man sollte es kaum glauben: Es funktioniert.


Wenn Sie das folgende Bild anklicken, können Sie die PDF-Datei für dieses A4-große Plakat herunterladen, ausdrucken, ins Wartezimmer hängen und sich überraschen lassen. 


 

Nun mag man glauben, das sei nur eine Angelegenheit für die Jungen, und die Alten langweilten sich weiter mit den üblichen Zeitschriften.


Jedoch, man irrt sich zuweilen.


Mein Erlebnis zum Thema Senioren und digital ist im Folgenden zu lesen:


Während ich mir eine kleine Pause mit Käsebrötchen und Möhrenstückchen zur Wiederherstellung meiner uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit gönnte, las ich in der Tagepresse. In einem Artikel wurde beklagt, dass immer mehr Behörden und Institutionen von ihren Kunden erwarten, ihre Termine digital zu vereinbaren. Dies sei für viele Nutzer ab sechzig Jahren eine Überforderung. Sie würden so vom Austausch mit den Ämtern abgeschnitten. Zusätzlich seien viele Portale benutzerunfreundlich. Ja, auch ich fluche zuweilen über deren Unübersichtlichkeit. Meine betagte Mutter jedoch trägt tatsächlich wie vor fünfzig Jahren ihre mit dem Stift ausgefüllten Überweisungsscheine zur Bank.

Die erste Patientin nach meiner Brötchenpause war eine sechsundachtzigjährige Dame, die regelmäßig zur Sprechstunde kommt und sich ihre Tabletten verschreiben lässt. Ich schlug ihr zur Kontrolle der Blutdruckeinstellung eine Langzeitmessung vor. Sie jedoch war davon wenig angetan, in nächster Zeit habe sie mehrere Termine. Dann holte sie ihr Handy aus der Tasche, schaute in ihren digitalen Kalender und bat darum, die geplante Messung um eine Woche zu verschieben.
Völlig entgeistert beobachte ich die Szene. „Was bilden Sie sich eigentlich ein?“, fragte ich sie. „Vor einer viertel Stunde habe ich einen Artikel gelesen, der behauptet, dass Senioren mit Handys und Computern nicht umgehen können. Sie boykottieren das ganze Vorurteil!“
Sie sah sie mich völlig verdattert an. „Tut mir leid“, sagte sie, „solange mein Kopf funktioniert, lass ich mir nichts vormachen. Das ist doch viel praktischer mit den Dingern. Und wenn ich etwas nicht hinkriege, dann können mir immer noch die Kinder zeigen, wie es geht.“
Jetzt konnten wir beide über das Vorurteil lachen. Sie entschwand gut gelaunt aus meinem Sprechzimmer, und ich wurde eines besseren belehrt.

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