DAS GEDICHT - FUNDUS
27.06.2024
Der Ruf der Nachtigall
Spät in der Nacht läuft er nach Haus.
Die Luft ist lau, bei ihr noch Licht,
ihr Schatten sieht so lieblich aus.
Er möchte jubeln, wagt es nicht.
Fahlblau ihr Umriss an der Wand,
ganz nah, bald wie zum Greifen.
Er steht darunten wie gebannt.
Im Gesträuch hebt an die Nachtigall zu pfeifen.
Tiriliert berührend, mit Entzücken,
jubiliert aus voller Brust,
um das Weibchen zu beglücken,
der Gesang – die reine Lust.
Ach, könnt auch ich ein Ständchen singen
in zarter, süßer Melodei,
müsst über meinen Schatten springen,
so selbstvergessen und so frei.
Würde ihr die Laute schlagen,
wenn ich es könnte sicherlich,
sie zweifellos auf Händen tragen
und leise fragen: Liebst du mich?
Doch schleicht er weg, ganz wie ein Dieb,
kein Minnesang und auch kein Mut.
Was soll das mit dem Liebeslied?
Wozu ist denn die Technik gut?
Ich muss nicht in den Büschen hocken,
in Gefahr mich zu blamieren.
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und die Werbung optimieren.
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das tut nicht weh,
vermitteln anonym mein Herz,
wenn ich dort auf Suche geh.
Indes tritt sie hinaus, lauscht in die Nacht:
Bin, oh Nachtigall, betört von dir.
Wie mich dein Lied so einsam macht!
Warum ruft denn kein Lieb nach mir?
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